Kennen Sie Sharknado? Einen der schlechtesten Filme aller Zeiten? Noch nie gehört? Herrlich präsentiert von Oliver Kalkofe und Peter Rütten in „Schlefaz“ (=die schlechtesten Filme aller Zeiten). Also falls dieses Kulturgut bisher an Ihnen vorbeigezogen ist, fasse ich kurz zusammen: aus einem Tornado fliegen Haie. Das ist der Filminhalt. Es gibt auch sehr schöne Memes dazu, im Sinne von “Next time you’re afraid to share an idea…remember someone once said in a meeting “let’s make a film with a tornado full of sharks” („wenn Sie das nächste Mal Angst haben, Ihre Ideen zu erzählen, denken Sie daran dass irgendwann mal jemand in einem Meeting gesagt hat „lasst uns einen Film mit einem Tornado voller Haie machen“). Sharknado gucken ist ein bisschen wie Alkohol trinken, eigentlich kein total schlauer Zeitvertreib, aber man wird lustig und albern. Aber was hat das alles mit Paartherapie zu tun?
Ich checke ja gerne mal, was aktuell so am Markt ist in meiner Branche, und da Paartherapie dazugehört und ich auch selbst als Paar lebe, kann ich hier Sachen aus zweierlei Interesse anschauen. So saß ich neulich mit meinem Mann in einem Onlinevortrag für Paare und Interessierte für Paartherapie. Ich werde keine Details nennen, da die Veranstalter Kolleg*innen sind und ich hier niemanden kränken möchte. Aber was soll ich sagen: war nicht so der Hit. Es wurde ständig mit dem Angstfaktor argumentiert (wenn die Beziehung kaputt geht, ist alles voll schlimm, die Gesundheit geht den Bach runter, Trennungswahrscheinlichkeit für weitere Beziehungen erhöht sich…). Kann ja alles sein, aber das ermutigt niemanden.
Wir mussten nebenher anfangen, Karten zu spielen, damit es weniger schlimm ist. Saßen kichernd da wie in der Schule beim Zettelchen schreiben (für die Millenials: Zettelchen sind das Texten von früher). Daher kam die Sharknado-Assoziation, weil die ganze Situation einfach so skurril wurde. Natürlich hatten sich die Veranstalter viel mehr Mühe gegeben als bei Sharknado, mit Sicherheit wurde viel vorbereitet, Hintergründe recherchiert etc., aber das Ergebnis war jetzt für uns als Paar eher der Unterhaltungsfaktor, als dass wir was mitnehmen konnten. Zugegeben sind wir als Beraterehepaar der Albtraum für jeden Berater…
Aber trotzdem frage ich mich, wie es anderen so geht, die in solchen Veranstaltungen sitzen. Ich habe ja immer den Heimvorteil, dass ich an die passenden Infos leicht herankomme (oder sie eh schon habe, weil Berater ja immer alles wissen 😉), ich weiß, nach welchen Stichworten ich suchen kann, welche kostenlosen oder nicht so kostenlosen Angebote es gibt, etc. Aber wie geht es Liese Müller oder Peter Meier von nebenan, wenn sie gerne Rat und Ideen zu Paarthemen hätten? Was ich so gefunden habe, finde ich kurz gesagt wenig ermutigend. Bei dem Vortrag kamen dann in den letzten 5 Minuten drei konkrete Vorschläge, was man tun sollte, um die Beziehung zu verbessern. Bei zwei davon fielen mir sofort Paare ein, mit denen ich gearbeitet habe, für die das sehr kontraproduktiv gewesen wäre. Autsch. Die hätten sich dann gefragt, wieso es nicht besser (oder sogar schlechter) wird und vermutlich gedacht, es liegt an ihnen.
Was habe ich sonst so gefunden? Auf einer Seite schrieb ein Therapeut in seine FAQ nach der Frage, ob Samstagstermine möglich seien, dass wenn man nicht während der Woche vormittags käme, es ja offenbar kein echtes Interesse an Veränderung gäbe. Schluck. Wenn ich eh schon fertig bin, weil es in der Liebe kriselt, brauche ich doch nicht noch eins aufs Dach. Menschen gehen doch auch zur Arbeit? Also ich verstehe jede*n Kolleg*in, die ihre Arbeitszeiten klar abgrenzt (tue ich auch), aber daraus muss ja nun kein Blame-Game an den Klienten werden.
Weiteres Fundstück: in einer amerikanischen Serie gingen zwei der Hauptdarsteller zur Paartherapie. 16 Monate lang. SECHZEHN MONATE!!! What??? Also es arbeitet bestimmt jeder unterschiedlich, aber what? Und NACHDEM sie 16 Monate da waren, hat dann die Therapeutin gefragt, wann sie denn das letzte Mal zusammen essen waren. Äh… was haben die denn die ganze Zeit davor besprochen? Auch hier: was nehmen Sie denn als potentieller Klient, der nicht in dem Fach unterwegs ist mit? Paartherapie muss total lang dauern, ach ja, und gebracht hat’s auch nichts, sie haben sich dann getrennt. Total ermutigend. Tatsächlich geht Paartherapie eigentlich viel schneller als Einzeltherapie (also von den Zahlen der Sitzung her), und zwar aus einem einfachen Grund: die Therapeutin kann „das Problem“ oder „die Themen“ live miterleben und deshalb viel schneller sehen und verstehen. In der Einzeltherapie muss alles vom Patienten erklärt werden, in der eigentlichen Situation ist der Therapeut nicht dabei. Hier schon!
Dann habe ich ein Buch zum Thema Partnerschaft begonnen, wirklich renommierte Autoren mit sehr viel Hintergrund. Ja… also ich lese wirklich gerne und schnell, aber nicht so. Die Inhalte waren eigentlich gut und echt hilfreich, aber die Schreibweise so trocken und schwergängig (halt wie ein deutsches Lehrbuch), dass ich fürchte, damit werden etliche Gruppen ausgeschlossen, die sich da eben nicht durchackern wollen oder können. Das geht doch auch in nett und gut verständlich? Kurzweilig? Meine Befürchtung ist, wer sich auf die Suche macht nach Hilfe und dann auf solche Optionen trifft, wird sich schlecht fühlen. Wird denken „ich bin zu blöd“, „kein Wunder, dass es bei uns nicht läuft, wenn wir nicht mal…“ usw. Und das finde ich total schade, denn es lohnt sich sehr, an der eigenen Partnerschaft zu arbeiten.
Ich habe selbst in den letzten Jahrzehnten mehrere Coaches, Therapeut*innen, Workshops etc. in meiner Partnerschaft aufgesucht. Vielleicht als kleine Beruhigung für alle: es hat uns alles was gebracht, auch die, die wir für weniger kompetent hielten. Klar, in einer idealen Welt nimmt man tolle passend zugeschnittene Ratschläge mit, fühlt sich gewertschätzt und greift nicht zu den Spielkarten vor Langeweile. Das Glück, das wir hatten, war folgendes: wir konnten immer mit Abstand beurteilen und schauen, ob es sich gut angefühlt hat. Eine Therapeutin z.B. fing an, für einen von uns Partei zu ergreifen. Da haben wir gleich gemerkt: das wird für beide richtig doof. Gegeneinander ausspielen und einer muss jetzt „einsehen“, dass er/sie das „verkehrt“ gemacht hat – da möchte niemand einen zweiten Termin ausmachen. Und auch in schwierigen Zeiten (die es wirklich in jeder Partnerschaft gibt, die länger als ein paar Monate dauert) hatten wir auf diese Weise plötzlich einen neuen „common ground“: das wird mit der nix. Das kann eine sehr verbindende Erfahrung sein.
Mein Rat an Sie: hören Sie auf Ihr Bauchgefühl. Wenn Sie sich bei einem Seminar, Workshop oder im Gespräch klein und dumm vorkommen oder Ihre innere Stimme sagt „der hat total recht, wir sind echt zu blöd und haben deshalb diese Probleme“, dann hat’s mit der Wertschätzung nicht so ganz geklappt. Kein „Experte“ (und Paartherapeut kann sich jeder nennen, ob Börsenmaklerin oder Skilehrer) sollte Sie zur Tür rausgehen lassen mit dem Gefühl, der weiß alles und Sie wissen nichts.
Wer abgesehen von Paartherapie etwas tun möchte, dem kann ich uneingeschränkt KEK/EPL empfehlen. Ansonsten: vielleicht suchen Sie sich mal als Paar den miesesten Vortrag zum Thema auf Youtube oder wo Sie sonst so unterwegs sind raus, stellen das Popcorn bereit und freuen sich über Ihre gemeinsame Sicht der Dinge! Denn die ist eh der Anfang von allem.